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Eingebettet am nördlichen Ende der Piazza Navona in Rom, steht der Neptunbrunnen (Fontana del Nettuno) als eindrucksvolles Zeugnis für das reiche Geflecht aus Kunst, Geschichte und urbaner Entwicklung der Ewigen Stadt. Über seine ästhetische Anziehungskraft hinaus verkörpert dieser Brunnen Jahrhunderte römischer Ingenieurskunst – von architektonischen Bestrebungen der Renaissance bis zu skulpturalen Ergänzungen des 19. Jahrhunderts.
Für Historiker, Kunstliebhaber und Reisende gleichermaßen bietet der Brunnen einen faszinierenden Einblick in das bleibende Erbe Roms.
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ToggleDie Ursprünge des Neptunbrunnens reichen zurück bis ins Jahr 1574, als Giacomo della Porta, ein bedeutender Architekt der Spätrenaissance, das Becken des Brunnens unter der Schirmherrschaft von Papst Gregor XIII. entwarf. Diese Initiative folgte auf die Restaurierung des Aqua-Virgo-Aquädukts und hatte das Ziel, die Wasserversorgung und öffentlichen Plätze Roms neu zu beleben.
Ursprünglich hatte der Brunnen ein schlichtes Design ohne Statuen und diente in erster Linie als funktionale Wasserquelle für das Stadtviertel Campo Marzio.
Mehr als drei Jahrhunderte blieb der Brunnen ungeschmückt – ein deutlicher Kontrast zu seinen kunstvoll verzierten Gegenstücken auf der Piazza. Erst mit der Einigung Italiens und der Ernennung Roms zur Hauptstadt im Jahr 1870 erwachte das öffentliche Interesse an einer künstlerischen Aufwertung des Monuments. 1873 wurde ein Wettbewerb zur Verschönerung des Brunnens ausgeschrieben, der schließlich 1878 in der Ergänzung durch kunstvolle Skulpturen mündete.
Die Skulpturen des 19. Jahrhunderts von Antonio della Bitta und Gregorio Zappalà bilden eine eindrucksvolle visuelle Erzählung, die klassische mythologische Themen durch dynamische Komposition und ausdrucksstarke Details zum Leben erweckt.
Die kraftvolle Skulptur von Neptun, geschaffen von Antonio della Bitta und etwa 4 Meter (13 Fuß) hoch, zeigt den Meeresgott im erbitterten Kampf mit einem riesigen Oktopus.
Inspiriert von barocken Vorbildern wie Berninis dramatischen Kompositionen, windet sich Neptuns muskulöser Körper kraftvoll, während er seinen metallenen Dreizack schwingt. Der detailreich dargestellte Oktopus symbolisiert das Chaos, das durch göttliche Autorität bezwungen wird, und unterstreicht Neptuns beherrschende Rolle in der klassischen Mythologie und künstlerischen Tradition.
Diese verspielte Marmorskulptur zeigt einen Putto, der entspannt auf einem hybriden Meereswesen sitzt – halb Löwe, halb Fisch.
Der wilde Ausdruck und die dynamische Haltung des Wesens stehen in charmantem Kontrast zur friedlichen Ausstrahlung des Putto und symbolisieren die harmonische Koexistenz der Menschheit mit den geheimnisvollen Kräften der Natur. Diese verspielte Kombination verdeutlicht die kreative Verbindung von mythologischer Symbolik und fantasievoller Erzählkunst, wie sie die Bildhauer meisterhaft ins Werk setzten.
Die anmutige Nereide von Gregorio Zappalà hält einen Schwan sanft mit ihrem elegant geschwungenen Fischschwanz zurück.
Diese einzigartige Komposition verbindet mythische Schönheit mit symbolischer Kontrolle und zeigt das Können des Bildhauers bei der Darstellung verschiedener Texturen – von der glatten Haut der Nereide bis zum feinen Gefieder des Schwans. Sie symbolisiert auf subtile Weise das Verhältnis zwischen Schönheit und den ungezähmten Kräften der Natur.
Im starken Kontrast dazu steht eine weitere Nereide im Kampf mit einem wilden Seedrachen.
Ihr ruhiger, aber entschlossener Gesichtsausdruck inmitten des Kampfes symbolisiert die Fähigkeit des Menschen, selbst die wildesten Aspekte der Natur zu beherrschen. Die lebendige, schlangenartige Form des Drachen kontrastiert mit der gelassenen Stärke der Nereide und demonstriert das künstlerische Können in der Darstellung von Spannung und Bewegung.
Diese dynamische Skulptur zeigt einen jugendlichen Putto, der selbstbewusst ein kräftiges, aufgewühltes Seepferd bändigt.
Das dramatische Aufbäumen des Pferdes mit geweiteten Nüstern und fliegender Mähne steht in lebhaftem Kontrast zur Gelassenheit des Putto. Symbolisch steht dies für die menschliche Kontrolle über die unberechenbare Kraft der Natur – ein zentrales Thema der klassischen und barocken Skulptur.
Zappalàs Triton bläst kraftvoll in zwei Muschelhörner und lässt dynamisch Wasser ins Becken strömen.
Diese Figur vereint anatomische Präzision mit mythologischer Symbolik und betont die doppelte Natur Tritons – halb Mensch, halb Meereswesen. Die dramatische Haltung und die kräftige Muskulatur spiegeln barocke Energie wider und unterstreichen Tritons Rolle als Verkünder des Meeres. Die Skulptur verbindet mythologische Bildsprache mit klassisch-akademischer Bildhauerkunst.
Der Neptunbrunnen ist weit mehr als ein dekoratives Element – er verkörpert die sich wandelnde Identität Roms und dessen künstlerische Bestrebungen.
Seine Entwicklung von einer funktionalen Wasserquelle zu einem skulpturalen Meisterwerk spiegelt den umfassenderen Wandel der Stadt wider, hin zur bewussten Würdigung ihres historischen und kulturellen Erbes. Die Vollendung des Brunnens im späten 19. Jahrhundert reflektiert zudem den Zeitgeist nationaler Einheit und des Stolzes im Zuge von Roms Erhebung zur Hauptstadt des vereinten Italiens.
Darüber hinaus ergänzt der Brunnen die beiden anderen bedeutenden Brunnen auf der Piazza Navona – den Vierströmebrunnen und den Mohrenbrunnen – und schafft damit eine kohärente Erzählung, die verschiedene kunsthistorische Epochen und Stilrichtungen miteinander verbindet. Gemeinsam verwandeln sie die Piazza in ein Freilichtmuseum, das Roms reiches künstlerisches Erbe eindrucksvoll zur Schau stellt.
Heute bleibt der Neptunbrunnen ein zentraler Anziehungspunkt für Besucher der Piazza Navona. Seine detailreichen Skulpturen und seine geschichtliche Bedeutung bieten ein vielschichtiges Erlebnis für Touristen, Wissenschaftler und Kunstliebhaber. Ob man sich von den künstlerischen Feinheiten angezogen fühlt oder von seiner Rolle in der städtischen Entwicklung Roms fasziniert ist – der Brunnen steht als kraftvolles Symbol für die bleibende Anziehungskraft der Ewigen Stadt.
Autor: Artur Jakucewicz
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